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Die Zukunft in unseren Händen

21 Thesen zur Klimaschutzpolitik des 21. Jahrhunderts

- Kurzfassung -

Umweltbundesamt

Oktober 2005

 

1. Klimaänderungen und ihre Wirkungen bis heute

Der Klimawandel hat begonnen und verläuft dynamischer als erwartet. Im Wesentlichen als Folge des Ausstoßes von Treibhausgasen ist die Temperatur im vergangenen Jahrhundert weltweit um durchschnittlich 0,7°C gestiegen. Es sind unter anderem häufigere Wetterextreme – beispielsweise Hitzewellen – und ein drastischer Rückgang der Gebirgsgletscher zu beobachten.

 

2. Zukünftige Klimaänderungen und ihre Wirkungen

Bei ungebremstem Ausstoß der Treibhausgase ist mit einer weiteren Erwärmung um 1,4 bis 5,8°C bis zum Jahr 2100 zu rechnen, verbunden mit ernsten Folgen für Menschen und die übrige Natur, z.B. mit einem Anstieg des Meeresspiegels um weitere 9-88 cm. Selbst am unteren Ende dieser Spanne ist noch das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes und damit ein Anstieg des Meeresspiegels um langfristig bis zu 7 Meter zu befürchten.

 

3. Begrenzung des Temperaturanstiegs und erforderliche Handlungsziele

Nach neuestem Kenntnisstand reagiert das Klima deutlich stärker auf einen Konzentrationsanstieg der Treibhausgase als ursprünglich vermutet. Um dramatische Schäden zu vermeiden, muss der Temperaturanstieg dauerhaft auf maximal 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden. Oberhalb dieses Bereiches erwartet die Fachwelt großräumige Störungen der Biosphäre und des Wasserhaushalts, und abrupte Klimaänderungen werden wahrscheinlicher. Um das „2°C - Ziel“ einzuhalten, ist es notwendig, die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre bei 400 parts per million (ppm) CO2-Äquivalente zu stabilisieren. Dies bedeutet: Der Anstieg der globalen Emissionen muss in den nächsten 10 bis 20 Jahren gestoppt werden. Anschließend müssen die Emissionen bis 2050 auf unter die Hälfte des heutigen Niveaus und auf ein Viertel des „Business as usual-Trends“ (das sind knapp 20 % Emissionsanstieg pro Dekade) sinken. Die Gerechtigkeit gegenüber den sich entwickelnden Ländern gebietet, dass die Emissionen der Industriestaaten bis 2050 überproportional um 80 % gegenüber dem Ausgangsniveau von 1990 zurückgehen müssten.

 

4. Anpassung an die Wirkungen der Klimaänderungen

Alle Staaten müssen sich bereits heute vor den Klimafolgen schützen, indem sie Schäden, verursacht durch die bereits eingetretenen Klimaänderungen, für Land- und Forstwirtschaft, Infrastruktur und das Siedlungswesen verringern. Die sich entwickelnden Länder benötigen dabei die Unterstützung der Industrieländer, die den Klimawandel überwiegend verursachten. Die in verschiedenen Fonds bereitgestellten Budgets sind für diese Aufgabe nicht ausreichend – Anpassung ist als zentraler Aspekt in die allgemeine Entwicklungsplanung und Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren. Anpassungen an die Folgen des verstärkten Treibhauseffektes sind allerdings keine Lösung des Problems, sondern nur Linderung der Wirkungen.

 

5. Globale Emissionstrends

Der Staatengemeinschaft gelang es bisher nicht, die globalen Emissionen zu stabilisieren und den steigenden Trend umzukehren. Das Kyoto-Protokoll sieht Emissionsminderungsverpflichtungen für Industrieländer um durchschnittlich rd. 5 % ihrer Emissionen des Jahres 1990 vor. Dieser wichtige, erste Schritt musste hart erkämpft werden und ist ein großer Erfolg für die internationale Umweltpolitik, reicht jedoch nicht aus. Den vereinbarten Emissionsminderungen der Industriestaaten um etwa 1 Mrd. Tonnen CO2-Äquivalente (bis 2012) steht heute bereits ein globaler Emissionsanstieg um ca. 3 Mrd. Tonnen gegenüber.

 

6. Minderung der globalen Emissionen

Um das langfristige Ziel der Klimarahmenkonvention zu erreichen, müssen die globalen Emissionen spätestens ab 2020 sinken. Hieran müssen sich langfristig alle Länder beteiligen. Die Emissionen der Industriestaaten sind bis zum Jahr 2020 um ein Drittel gegenüber dem Bezugsjahr 1990 zu vermindern. Die Staats- und Regierungschefs der EU brachten dies im März 2005 anlässlich ihres Gipfeltreffens zum Ausdruck und forderten die Industriestaaten auf, Emissionsminderungsziele in der Größenordnung von 15 bis 30 % bis 2020 zu erwägen. Der Einbeziehung der USA als gegenwärtig größtem Emittenten von Treibhausgasen und der Beteiligung der wichtigsten Entwicklungsländer – wie China, Indien und Brasilien, deren starker Emissionsanstieg sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen wird – kommt bei dieser globalen Herausforderung eine ganz besondere Bedeutung zu.

 

7. Staaten in unterschiedlicher Art und Weise beteiligen

Zukünftige internationale Verträge und Vereinbarungen zum Klimaschutz müssen die unterschiedlichen Bedingungen in den beteiligten Ländern angemessen berücksichtigen. Die Industriestaaten sind – wegen ihrer auch historisch gesehen höheren Treibhausgasemissionen und Wirtschaftskraft – verpflichtet, einen besonderen Beitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen zu leisten. Schwellen- und Entwicklungsländer müssen künftig unter Gerechtigkeitsaspekten – wie Verursacherprinzip, Leistungsfähigkeitsprinzip und den Entwicklungsprioritäten – in verbindliche Klimaschutzmaßnahmen einbezogen werden.

 

8. Vorschlag des Umweltbundesamtes: „Vier-Stufen-Konvergenz“

Das Umweltbundesamt schlägt vor, die Entwicklungsländer binnen der nächsten zwei Jahrzehnte mit abgestuften Verpflichtungen in den Klimaschutz einzubeziehen. Langfristiges Ziel sollte es sein, die weltweiten Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts auf ein Niveau unterhalb von durchschnittlich 2 Tonnen CO2- Äquivalenten pro Kopf der Bevölkerung zu senken.

 

9. Kosten des Klimaschutzes und Kosten des Nichthandelns

Klimaschutz kostet Geld. Investitionen in den Klimaschutz sind gut angelegt, da hierdurch hohe volkswirtschaftliche, ökologische und soziokulturelle Verluste, die mit dem Treibhauseffekt verbunden wären, vermeidbar sind. Würden wir nicht handeln, so könnten allein die volkswirtschaftlichen Schäden ab 2050 weltweit die Größenordnung von mehreren Billionen Euro pro Jahr erreichen, davon ca. 100 Mrd. Euro allein in Deutschland. Die zu erwartenden Emissionsminderungskosten sind wesentlich geringer. Zudem bewirkt aktiver Klimaschutz Investitionen und technische Innovationen.

 

10. Weitere, wichtige positive Effekte des Klimaschutzes, Armutsbekämpfung und Förderung erneuerbarer Energien

Klimaschutz wirkt mehrfach. Er bewirkt auch weniger Luftverschmutzung und weniger Ressourcenkonflikte um Wasser und Öl. Energiesysteme klimaschonend aufzubauen und zu modernisieren, kann ein wertvoller Beitrag dazu sein, Armut zu bekämpfen und die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Einige der ärmsten Länder sind bereits stark daran interessiert, erneuerbare Energien zu nutzen. Die in absehbarer Zukunft ohnehin erforderliche Umstellung der Energieversorgung wird zeitlich nach vorne gezogen, da die Kosten für erneuerbare Energien im Vergleich zu den knappheitsbedingt ansteigenden Kosten für fossile Energieträger immer günstiger werden. Erneuerbare Energien, kombiniert mit einer konsequent auf Energieeffizienz gerichteten Politik, sind die beiden tragenden Säulen eines nachhaltigen Umgangs mit Energie.

 

11. Klimaschutz in anderen Politikbereichen verankern

Klimaschutz ist nicht Aufgabe der Umweltpolitik allein. Viele Maßnahmen in anderen Politikbereichen, zum Beispiel der Entwicklungspolitik, Finanzpolitik, Landnutzungs-, Wirtschafts- und Industriepolitik, Land- und Forstwirtschaftspolitik, Regionalpolitik, Energiepolitik oder Verkehrspolitik haben unter Umständen gravierende Folgen für den Klimaschutz. Dort sollte daher Klimaschutz als Ziel wesentlich stärker integriert werden. Auch die Länder und Kommunen können – trotz knapper Budgets – unter anderem durch die Raumplanung sowie als Moderator und Initiator von Investitionen mehr zum Klimaschutz beitragen.

 

12. Stand der Zielerreichung des Kyoto-Protokolls in Deutschland

Ohne weitere Maßnahmen werden in Deutschland die Klimaschutzziele bis 2010 nicht erreicht werden. Die aktuelle Prognose der Treibhausgasemissionen verdeutlicht zwar den Erfolg der bisherigen klimaschutzpolitischen Maßnahmen hierzulande. Das Ziel des Kyoto-Protokolls erreichen sie jedoch nicht und bei weitem nicht die im Klimaschutzprogramm 2005 vorgesehene Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 % gegenüber dem Basisjahr 1990. Die Emissionsminderungspotenziale – insbesondere der nicht vom Emissionshandel erfassten Sektoren – sind auszuschöpfen. Hierzu gehören besonders auch die nicht energiebedingten Treibhausgase (N2O, CH4, fluorierte Treibhausgase).

 

13. Minderung des deutschen Treibhausgasausstoßes bis 2050 – CO2, CH4, N2O und fluorierte Treibhausgase

Den Treibhausgasausstoß bis 2050 um 80 % zu mindern, ist technisch möglich und volkswirtschaftlich tragfähig. Das Fördern der erneuerbaren Energien und eine deutlich steigende Energieeffizienz tragen hierzu in hohem Maße bei. Fluorierte Treibhausgase sind wegen klimaschonender Techniken weitgehend verzichtbar. Für das Erreichen des Zwischenziels, bis 2020 die CO2-Emissionen um 40 % gegenüber 1990 zu vermindern, existieren kostengünstige Maßnahmen ohne volkswirtschaftliche Mehrkosten. Hierzu zählen zum Beispiel die Sanierung des Gebäudebestandes und Effizienzsteigerungen im Kraftwerkspark.

 

14. Konsequenter Klimaschutz und Ökologische Finanzreform

Um die ökonomischen Anreize zum Energiesparen der Unternehmen, privaten Haushalte und des Verkehr ausgewogener zu gestalten, sind die Steuern stärker an klaren, umweltbezogenen Kriterien auszurichten. Die Ökologische Finanzreform umfasst auch eine umweltschutzgerechte Subventionspolitik. Kurzfristig ist es hierzu unter anderem erforderlich, Kerosin für Flugzeuge möglichst international zu besteuern, die Eigenheimzulage und die Pendlerpauschale abzuschaffen, sowie die Ausnahmen für die Industrie und Land- und Forstwirtschaft bei der Strom- und Mineralölsteuer weiter zu reduzieren. Um staatliche Ausgaben und Programme nachhaltig zu gestalten, sind darüber hinaus Umwelt- und Klimaschutzaspekte systematisch in das öffentliche Haushalts- und Beschaffungswesen zu integrieren.

 

15. Der Emissionshandel

Der Emissionshandel kann das zentrale Instrument für den Klimaschutz werden. Im Jahr 2005 hat der Emissionshandel auf EU-Ebene begonnen. Die Europäische Union sollte ihn weiterentwickeln, indem sie anspruchsvolle Ziele für die folgenden Handelsperioden festlegt, die nationalen Regelungen zur Realisierung des Emissionshandels harmonisiert, alle großen Emittenten in den Emissionshandel einbezieht, die Anlagen mit geringfügigen Emissionen aus dem Emissionshandel heraus nimmt sowie den administrativen und verfahrenstechnischen Aufwand weiter reduziert. Die Verknüpfung des europäischen Emissionshandelssystems mit den projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls muss in den Mitgliedstaaten klimaschutzpolitisch anspruchsvoll verwirklicht werden – so wie dies in Deutschland mit dem Projekt-Mechanismen-Gesetz (ProMechG) vorgesehen ist. Die Einführung eines Emissionshandels kommt auch für vom Kyoto-Regime bisher nicht erfasste Sektoren – wie den internationalen Flug- und Schiffsverkehr – in Betracht. Für den Flugverkehr liegen bereits Vorschläge aus einem Forschungsprojekt des Umweltbundesamts vor.

 

16. Senkung des Energieverbrauchs

Unser Primärenergieverbrauch soll bis 2050 auf die Hälfte sinken. Dazu ist – neben Effizienzverbesserungen bei der Energieumwandlung – auch ein sinkender Endenergieverbrauch notwendig. Eine energetische Altbausanierung kann zum Beispiel allein 5-7 % der deutschen CO2-Emissionen einsparen. Das Steigern der Energieeffizienz – einschließlich vermiedenen Leerlaufstromverbrauchs – kann den Stromverbrauch in Deutschland bis zum Jahr 2020 um mehr als 12 % gegenüber der Status Quo Entwicklung senken.

 

17. Erneuerung des Kraftwerksparks

Die anstehende Erneuerung des Kraftwerksparks bis 2020 sollte für Effizienzinvestitionen und die Verringerung der Kohleverstromung genutzt werden. Die durch energiesparende Technik und besseres Management in Industrie, Haushalten und in öffentlichen Verwaltungen zurückgehende Energienachfrage erspart Investitions- und Treibstoffkosten. Bei den darüber hinaus notwendigen Kapazitäten ist modernen Erdgaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung sowie Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien Vorrang gegenüber Kohlekraftwerken zu geben. Kohle verursacht pro Energieeinheit etwa doppelt so hohe CO2-Emissionen wie Erdgas. Wirtschaftlich vertretbare Techniken zum Abscheiden und Speichern des Kohlendioxids (CO2-Sequestrierung) dürften zumindest in den nächsten 20 Jahren nicht im gewünschten Umfang zur Verfügung stehen.

 

18. Beitrag der erneuerbaren Energien zur Energieversorgung

Im Jahr 2050 sollen erneuerbare Energien 50 % der Energieversorgung leisten. Alle erneuerbaren Energiequellen sind auszubauen. Wind (an Land durch größere Anlagen an bestehenden Standorten und auf See mit neuen Standorten), Biomasse und Solarthermie sollten bis 2020 die Schwerpunkte des Ausbaus bilden. Um Geothermie und solare Stromerzeugung nach 2020 kostengünstig zu ihrem vollen Potenzial ausbauen zu können, ist bereits heute die Markteinführung erforderlich.

 

19. CO2-Emissionen des Verkehrssektors dauerhaft senken

Im Vergleich zu den vergangenen 60 Jahren sanken seit der Jahrtausendwende erstmals die CO2-Emissionen des Straßenverkehrs. Dennoch steigen die Treibhausgasemissionen des Verkehrs aufgrund des steigenden Verkehrsaufwands insgesamt weiter. Vielfältige Maßnahmen und Instrumente könnten die CO2- Emissionen des Verkehrssektors deutlich vermindern. Um dieses Ziel zu erreichen, sind unter anderem der Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge zu senken, klimaschonendes Fahrverhalten zu unterstützen, umweltverträglichere Verkehrsträger zu stärken, der Einsatz klima- und umweltschonender Treibstoffe zu fördern sowie das Verkehrswachstum und die Klimawirkungen des Flugverkehrs zu begrenzen.

 

20. Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz

Ökologischer Landbau und Verbesserungen in der konventionellen Landwirtschaft leisten wichtige Klimaschutzbeiträge. Hierzu können unter anderem das verstärkte Verwenden von Biogas, das Optimieren von Düngungsverfahren für höhere Nährstoffeffizienz zum Verringern der Lachgasemissionen (N2O) und ein stärkeres Nutzen des großen Potenzials der Land- und Forstwirtschaft zum Anbau von Energiepflanzen beitragen.

 

21. Leitgedanken für klimaschonendes Verhalten am Beispiel der Öffentlichen Hand

Das Kommunizieren erfolgreicher Vorbilder hilft, Möglichkeiten zu zeigen, wie man gut leben und dabei das Klima schützen kann. Das Umweltbundesamt will insbesondere Meinungsbildnern Leitgedanken für attraktive und klimaschonende Lebensstile liefern. Die Selbstverpflichtung der Bundesregierung zur Senkung der CO2-Emissionen in ihrem Geschäftsbereich erfüllt eine Vorbildfunktion, die im Gebäude- und Fahrzeugflottenmanagement sowie bei der Beschaffung schnellstmöglich zu verwirklichen ist. Das Umweltbundesamt versteht sich hier als beispielgebend.