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Leserbrief zu Luthers Antisemitismus und den Spuren bis ins Dritte Reich

 

 

An die Redaktion

Kirchenzeitung „Der Sonntag“

 

zu „Antisemitismus in Kirche aufarbeiten“, SONNTAG 7.4.2013 S.2

 

Margot Käßmann erinnert sehr deutlich daran, dass „auch der späte Luther ein erschreckendes Beispiel christlicher Judenfeindschaft gewesen sei“. Jedoch dürfte vielen Lesern nicht klar sein, welche Dimensionen diese schuldhaften Verstrickungen nicht nur für die Lichtgestalt Luther, sondern auch für unsere Kirchen umgreift, und dass über wirkliche Konsequenzen durchaus noch geredet werden müsste!

 

Hier zunächst einige Auszüge aus der Schrift Martin Luthers von 1543 „Von den Juden und ihren Lügen“ (zitiert nach: http://www.digam.net/?dok=8544&PHPSESSID=b2462b78beded75767181d0c13133317):

 „… lieber Christ, zweifle nicht daran, dass du nächst dem Teufel keinen bittereren, giftigeren, heftigeren Feind hast als einen rechten Juden;

die Juden als Fremdlinge sollten wahrlich und gewisslich nichts haben;

ich will meinen Rat geben:

dass man ihre Synagogen mit Feuer anstecke;

dass man ihre Häuser zerstöre - mag man sie etwa unter ein Dach oder Stall tun wie die Zigeuner;

dass man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe - sie sollen daheim bleiben;

dass man ihnen alle Barschaft nehme - alles, was sie haben, haben sie uns gestohlen und geraubt;

dass man den jungen starken Juden und Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst, Spaten, Rocken, Spindel und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiß der Nase;

unsern Oberherrn wünsche ich und bitte: Verbrenne ihre Synagogen, zwinge sie zur Arbeit und gehe mit ihnen nach aller Unbarmherzigkeit um;

will das nicht helfen, so müssen wir sie wie die tollen Hunde ausjagen;

ich habe das Meine getan; ein jeglicher sehe, wie er das Seine tue. Ich bin entschuldigt …“

 

Obwohl Luther natürlich nicht haftbar gemacht werden kann für die schlimmen Verbrechen des Holocaust im Dritten Reich, muss man doch manche Bezüge zur Kenntnis nehmen.

„Als am 9. und 10. November 1938 in Deutschland die Synagogen brennen, jubelt der „deutsch-christliche“ thüringische Landesbischof Martin Sasse: „Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen … In dieser Stunde muss die Stimme des Mannes gehört werden, der … der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden …“ (http://www.kirchengeschichten-im-ns.de/Das%20_Entjudungsinstitut_.pdf )

 

„Vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg verteidigt 1946 der ehemalige Gauleiter und Herausgeber der Hetzschrift „Der Stürmer", Julius Streicher, seinen Antisemitismus: „Dr. Martin Luther säße heute an meiner Stelle auf der Anklagebank, wenn sein Buch ‚Die Juden und ihre Lügen' in Betracht gezogen würde. Ihre Synagogen solle man niederbrennen, man solle sie vernichten... Genau das haben wir getan!"“ (http://hpd.de/node/3170 )

 

1939 wurde in der Lutherstadt Eisenach das unsägliche „Entjudungsinstitut“ gegründet - unter Beteiligung von 11 Landeskirchen, darunter der sächsischen. Immerhin „bekannte die evangelisch-lutherische Landessynode Sachsens im April 1948 … ihre Mitschuld am „umfassendsten und grausamsten Versuch zur gewaltsamen Ausrottung des Judentums, den die Weltgeschichte kennt: ... Auch unsere sächsische Kirche hat zur Verfolgung der Juden … beigetragen.““ (http://www.kirchengeschichten-im-ns.de/Das%20_Entjudungsinstitut_.pdf ).

 

Der Leiter des Entjudungsinstituts, Prof. Dr. Walter Grundmann, wurde wenige Jahre nach dem Krieg Direktor des Katechetischen Seminars der Evangelischen Kirche in Thüringen, erhielt auch einen Lehrauftrag am lutherischen Theologischen Seminar in Leipzig, und er veröffentlichte bis 1976 zahlreiche exegetische Bücher zum Neuen Testament in der Evangelischen Verlags-Anstalt Berlin.

 

Meine Landeskirche nennt sich stolz weiterhin eine „lutherische“, und allenthalben wird für 2017 die nächste große Ehrung Luthers vorbereitet. Zuviel der Ehre?

 

Joachim Krause, Schönberg